Dies ist ein Blogbeitrag in der Serie «Best Practice Wissenschaftskommunikation»
Autorinnen: Claudia Kistler und Anouk Taucher
Der Lebensraum des Europäischen Igels hat sich in den letzten 50 Jahren durch die intensive Landwirtschaft stark verändert. Anstelle der Kulturlandschaft mit kleinräumigen Strukturen wie Hecken, Gehölze und kleineren Acker- und Wiesenflächen breiteten sich ausgeräumte Landschaften aus. Die Folge war, dass in diesen Gebieten die Igelpopulationen abnahmen, wie mehrere Studien aus verschiedenen europäischen Ländern ergaben. In städtischen Gebieten hingegen scheint sich die Art besser halten zu können, allerdings gerät sie auch hier vermehrt unter Druck, da immer mehr Flächen verdichtet und versiegelt werden und damit Grünräume verloren gehen (Abb.1). Untersuchungen des Citizen-Science-Projekts StadtWildTiere zeigen, dass in der Stadt Zürich die Verbreitung der Igelpopulation zwischen 1992 und 2017 um 17 Prozent und die Anzahl der Igel um 40 Prozent abgenommen hat. Aufgrund dieser Zahlen wurde der Igel in der neuesten Roten Liste erstmals als potenziell gefährdet eingestuft. «Rote Listen sind anerkannte wissenschaftliche Gutachten, in denen der Gefährdungsgrad von Arten dargestellt ist. Sie werden in der Schweiz im Auftrag des BAFU von Fachpersonen erstellt.» (
Daher haben wir im Rahmen der StadtWildTiere 2024 in der Stadt Zürich ein Igelprojekt durchgeführt mit dem Ziel, die aktuelle Situation der Igel genauer zu untersuchen und die Ursachen für seine Gefährdung zu ermitteln (Abb. 1). Im Projekt haben uns zahlreiche Citizen Scientists bei der Sammlung der Daten unterstützt.
Das Projekt StadtWildTiere unterhält zum einen ein Netzwerk von Freiwilligen, die regelmässig an wildtierbiologischen Projekten teilnehmen. Diese laden jeweils per Email dazu ein, mitzumachen. Um potenzielle Freiwillige aus der Bevölkerung zu gewinnen, setzten wir auf kleinere Plakate, die wir sehr zahlreich überall in der Stadt platzierten (Abb. 2). Auch die sozialen Medien (Instagram und Facebook) nutzten wir für Aufrufe zum Mitmachen.
Für das Projekt «Igel gesucht» veranstalteten wir für die Freiwilligen zu Beginn Weiterbildungen (Abb. 3), an denen wir das Ziel des Projekts und die Igelbiologie vorstellten sowie die Methoden und die Einsatzmöglichkeiten erklärten. Im Verlaufe des Projekts, welches von Mai bis Oktober dauerte, boten wir Exkursionen an und belieferten die Freiwilligen ein bis zwei Mal pro Monat mit weiteren Informationen per Email und viermal im Jahr mit Neuigkeiten per Newsletter, der auch an Interessierte geht. Zum Schluss luden wir alle Beteiligten an ein Austauschtreffen ein, an dem wir erste Resultate präsentierten und – was sehr wichtig ist – Rückmeldungen einholten.
Nach Abschluss des Projekts schalteten wir für die Beteiligten auf der Website der StadtWildTiere den Schlussbericht, eine interaktive Karte mit den Resultaten sowie das Projektvideo auf.
Für die Erhebung der Daten setzten die Wissenschaftler:innen der SWT auf drei verschiedene Methoden: Beobachtungsmeldungen, Spurentunnel und die Fang-Wiederfang-Methode. Es sind alles nicht-invasive Methoden, die für die Igel ungefährlich sind. Bei den beiden letzteren ergab sich für die Citizen Scientists die Gelegenheit, diese wichtigen Methoden der Wildtierbiologieforschung kennenzulernen und umzusetzen.
Damit wir die Verbreitung der Igelpopulation von der Stadt Zürich erfassen konnten, haben wir die Zürcher Bevölkerung über verschiedene Kanäle wie Medienberichte, Flyer oder Plakate (Abb.4) dazu aufgerufen, Beobachtungen von Igeln auf der Meldeplattform stadtwildtiere.ch zu melden.
Mit Hilfe der Spurentunnel (Abb. 5) kann man sowohl das Vorkommen als auch die Verbreitung von Igeln in einem Gebiet erheben. Die Spurentunnel enthalten eine Einlage aus A4-Papier, einen Farbstreifen und einen Köder in der Mitte. Trippelt ein Igel durch den Tunnel, hinterlässt er seine Fussabdrücke auf dem Papier. Die Freiwilligen halfen mit, in vorgegebenen Quadraten von der Grösse von einem Quadratkilometer geeignete Standorte für die Spurentunnel zu finden, diese dort aufzustellen und während fünf Tagen hintereinander täglich auf Spuren zu kontrollieren.
Die Fang-Wiederfang-Methode haben wir angewendet, um die Populationsgrösse der Igel in der Stadt Zürich zu schätzen. Dazu haben wir in sechs Gebieten der Stadt während acht Nächten von 22 Uhr bis 2 Uhr alle Igel, die wir gefunden haben, mit kleinen Schrumpfschläuchen an den Stacheln markiert (Abb. 6). Auf diesen nächtlichen Suchgängen wurden wir von Freiwilligen begleitet, die uns bei der Suche halfen und bei der Markierung assistierten.
Im Verlaufe der Zusammenarbeit mit Freiwilligen in den verschiedenen Projekten können wir immer wieder wertvolle Erfahrungen sammeln. Zum einen merken wir, wo wir die Freiwilligen fachlich gut anleiten müssen. Zum anderen geben uns die Beteiligten wichtige Rückmeldungen, wie wir unsere Kommunikation verbessern und das Mitforschen besser an die Kapazitäten der Freiwilligen anpassen können.
Im Projekt «Igel gesucht» wurde klar, dass wir die Freiwilligen verstärkt auf folgende Punkte hinweisen müssen, damit die Resultate wissenschaftlich verwertbar sind:
Aus den Rückmeldungen der Beteiligten lernten wir wiederum:
Es hat sich in diesem Projekt wieder gezeigt, dass Igel in der Bevölkerung sehr beliebt sind und die Leute sich gerne in Igelprojekten engagieren und zu einigem zeitlichen Aufwand bereit sind. Daher kann der Igel als eine Flagship-Art dienen, die auf andere Arten ausstrahlt, so zum Beispiel auf Amphibienarten wie der Bergmolch, der Feuersalamander oder verschiedene Krötenarten, aber auch auf Reptilienarten wie der Blindschleiche oder auf kleine Säugetiere wie die Spitzmäuse.
In der Kommunikation mit den Freiwilligen ist wichtig, dass die Projektziele offen kommuniziert und der wissenschaftliche Arbeitsprozess gut erklärt werden. Dazu braucht es gezielte Informationen und eine genaue Anleitung der Freiwilligen, damit gute Daten aus den Projekten resultieren. Für Fragen der Freiwilligen sollte man zudem stets gut erreichbar sein und ihnen bei zeitlichen Engpässen bezüglich des Zeitaufwandes, wenn möglich entgegenkommen, soweit es die Datenaufnahme erlaubt. Die Feedbackrunden zum Abschluss des Projekts erlauben zum einen, dass die Teilnehmer:innen ihre Erfahrungen untereinander und mit uns teilen und zum anderen, dass wir diese Feedbacks in die Kommunikationsarbeit für zukünftige Projekte einfliessen lassen können.
Veröffentlicht am 24.09.2025.
Alle Bilder © stadtwildtiere.ch