Digitale Tools für (geistes-) wissenschaftliche Projekte

Am diesjährigen DARIAH-CH* Study Day durfte Tizian Zumthurm, Projektleiter im Programm Citizen Science, Teil des eröffnenden Roundtables zum Thema Citizen Science und Crowdsourcing in den Geisteswissenschaften sein. Zusammen mit Yvonne Schweizer von publics-arts.ch (Crowdsourcing zur Schweizerischen Plastikausstellung Biel) und Vera Chiquet von PIA (Participatory Knowledge Practices in Analogue and Digital Image Archives) sprach er über Möglichkeiten und Herausforderungen von Citizen Science und Crowdsourcing in den Geisteswissenschaften. Eine wichtige Feststellung war, dass sich digitale Archive oder Datenbanken von analogen vor allem dadurch unterscheiden, dass sie weniger als langfristige Lagerung dienen, sondern vielmehr als Plattform zur öffentlichen Wissensgenerierung und Kommunikation. Deshalb ist bei Projekten mit digitalen Datenbanken ein Citizen Science Ansatz besonders vielversprechend. Wir sprachen über die Motivierung und Aktivierung von Freiwilligen, über digitale Methoden und analoge Apéros. Beide Projekte nutzen digitale Werkzeuge nicht nur zur Archivierung und Erschliessung ihres Materials, sondern auch zu dessen Nutzbarmachung und Analyse. Citizen Scientists gewinnt und trainiert man aber immer noch besser im analogen als im digitalen Raum, so die Erfahrungen aus den Projekten. Starke lokale Partner:innen sind hierbei sehr hilfreich. Wichtig ist auch eine eigene physische Präsenz im öffentlichen Raum sowie, natürlich, ein regelmässiger und wertschätzender Austausch auf Augenhöhe mit den Citizen Scientists.

Tizian Zumthurm ist Projektleiter im Bereich Citizen Science bei Science et Cité und ist Mitglied der Arbeitsgruppe Open Science der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

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Der restliche Study Day hatte zum Ziel, Forschende aus den Digital Humanities mit Anbietenden von digitalen Forschungsinfrastrukturen zu vernetzen und präsentierte Beispiele aus der Praxis. Digitale Forschungsinfrastrukturen sind für Citizen Science Projekte nicht nur deshalb relevant, weil immer mehr Förderinstitutionen im Zuge von Open Science den offenen Zugang zu Forschungsdaten zur Bedingung machen, sondern weil ein solcher Zugriff für partizipative Ansätze oftmals unabdinglich ist. Ganz abgesehen davon teilen Citizen Science und Open Science zentrale Werte wie Transparenz, Offenheit und Mitbenutzung.  

 

“Digitale Forschungsinfrastrukturen sind für partizipative Ansätze oftmals unabdingbar.”

 

Der SSH Open Market Place* ist ein europäisches Portal, welches digitale Ressourcen für die Geistes- und Sozialwissenschaften sammelt und kuratiert und deshalb besonders zu Beginn eines Forschungsprojekts eine wertvolle Plattform ist. Speziell zu erwähnen sind die zahlreichen how-to Workflows, welche Vorgehensweisen, Hilfestellungen und Tool-Vorschläge für spezifische und allgemeine Frage- und Problemstellungen bieten.

 

Weiter stellten sich am Study Day einige digitale Forschungsinfrastrukturen aus der Schweiz vor. Alle Repräsentant:innen unterstrichen, dass es den Prozess vereinfacht, wenn man sie möglichst früh kontaktiert. Dies macht bereits vor der Antragseingabe Sinn, damit man zusammen einen soliden Data Management Plan erarbeiten kann. Dieser ermöglicht, die künftige Arbeit besser zu strukturieren und zum Beispiel einzuschätzen, welche Metadaten besonders erhebenswert sind und welcher Aufwand damit verbunden ist.

 

Nachfolgend listen wir einige der präsentierten Repositorien auf:

DaSCH (Swiss National Data and Service Center for the Humanities) ist mittlerweile SNF finanziert und versteht sich als Langzeitrepositorium für qualitative Daten, selbstverständlich unter Einhaltung der FAIR Prinzipien. Gleichzeitig ist es dank direktem Zugriff auf die Objekte aber auch als Arbeitsinstrument während der Laufzeit des Projekts gedacht. Durch Persistent Identifiers auf Objektebene ermöglicht das Repositorium eine präzise Referenzierung und Versionierung; laufende Änderungen sind also möglich und nachvollziehbar.

Das Repositorium erlaubt direkten Zugriff und Suchbarkeit für Menschen und Maschinen und ermöglicht durch Persistent Identifiers auf Objektebene eine präzise Referenzierung und Versionierung.

SWISSUbase spezialisiert auf Sozial- und Sprachwissenschaften und wird ab 2024 auch für Geisteswissenschaften geöffnet. Es handelt sich um eine mehrsprachige FAIR Plattform zum Teilen und Archivieren von Forschungsdaten mit reichhaltigen disziplin-spezifischen Metadaten. SWISSUbase wird betrieben von FORS (Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften) sowie den Universitäten Lausanne, Neuchâtel und Zürich und bietet auch Konsultationen und zum Kuratieren und Publizieren von Daten.

LirI ist die Linguistic Research Infrastructure der Universität Zürich und interessant für alle sprachbasierte Forschung. Sie bieten Unterstützung bei der Sammlung, Analyse und Archivierung von Daten. Sie bieten zudem Räumlichkeiten und Equipment zur Sprachforschung und via Swissdox Zugriff auf unzählige Medienartikel.

Der CollectionBuilder (entwickelt an der University of Idaho, vorgestellt von Stadt.Geschichte.Basel) ist eine schlanke und kostenlose open-source Option zur Erstellung und zum Hosten von digitalen Sammlungen, Ausstellungen und Geschichten. Diese Lösung erfordert nur wenig eigene Infrastruktur und technisches Know-How.

Geovistory ist eine Linked Open Data Infrastruktur für Geistes- und Sozialwissenschaften. Sie wird gemeinsam von KleioLab, LARHRA, der Universität Bern und anderen Akteuren entwickelt und durch das LOD4HSS-Projekt, von swissuniversities mitfinanziert, strukturiert. Die Plattform ist nicht nur ein FAIR Repositorium für einzelne Projekte, sondern hat zum Ziel, die Daten und Objekte aus den verschiedenen Projekten zu verknüpfen und so nutzbarer zu machen. 

nodegoat ist eine web-basierte virtuelle Forschungsumgebung für die Geisteswissenschaften (entwickelt vom LAB1100, vorgestellt von den Digital Humanities der Universität Bern). Sie bietet diverse Möglichkeiten für Datenmanagement und -modellierung und ermöglicht verschiedene Visualisierungen (geographische Karten, Netzwerkgraphen, Diagramme ,etc.) und interaktive Datenpublikation. 

Diese digitalen Forschungsinfrastrukturen für die Geisteswissenschaften, welche häufig auch für andere Disziplinen geeignet sind, bieten also vielfältige Möglichkeiten. Die offene Archivierung der Daten und der freie Zugriff darauf sind dabei oft nur die Grundlage. Viele Tools bieten auch einfache Bearbeitung, Visualisierung, Analyse und Präsentation der Daten und Ergebnisse. All das ist natürlich auch für die meisten Citizen Science Projekte spannend und relevant.

Vielen Dank an die Digital Humanities Community für die anregenden Diskussionen und die spannenden Einblicke in Projekte, Daten und Infrastrukturen! Die Folien aller Vorträge sind hier abrufbar.



* DARIAH steht für Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities. DARIAH ist ein ERIC, was wiederum für European Research Infrastructure Consortium steht. Hierbei handelt es sich um eine besondere Rechtsform, welche die Gründung und den Betrieb von neuen oder bestehenden Forschungsinfrastrukturen mit europäischem Interesse erleichtert. Die Schweiz ist Mitglied einiger ERICs und hat Beobachterstatus bei anderen. Das SBFI führt eine Liste. Wie viele ERICs ist DARIAH in nationalen Konsortien oder Nodes organisiert. DARIAH-CH wurde im November 2021 von acht universitären Hochschulen und der SAGW gegründet wird heute von DaSCH koordiniert. 

* Der Market Place ist Teil des Social Sciences and Humanities Open Cloud Projekts (SSHOC), welches wiederum Teil der European Open Science Cloud EOSC der Europäischen Kommission ist. EOSC bietet Forschenden – explizit auch Citizen Scientists – eine virtuelle Umgebung mit offenen Diensten für die Speicherung, Verwaltung, Analyse und Wiederverwendung von Forschungsdaten über Grenzen und wissenschaftliche Disziplinen hinweg.

 

Mehr zu Open Science und Citizen Science findest du hier.

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